
Mit dem gedanklichen oder tatsächlichen Wiedereinstieg in das Berufsleben befinden wir uns häufig in einer anspruchsvollen Situation. Die Frage „Was will ich?“ lässt sich nur noch schwer von den Fragen „Was brauchen meine Kinder?“ und „Was ist gut für uns als Familie?“ trennen. Nie wieder – solange die Kinder zu Hause wohnen – werden wir in beruflichen Fragen nur auf uns blicken können – und wollen. Dieses WIR steht eben über allem – und gut gehen kann es uns nur, wenn wir wissen, dass das auch auf unsere Kinder zutrifft.
Aber woher weiß ich, was gut ist für uns alle? Sind meine Kinder noch klein, können sie diese Frage zwar aus dem Bauch heraus beantworten, aber nicht umfassend abwägen. Also liegt es an mir ein Gefühl für ihre Bedürfnisse zu entwickeln: Wie viele Stunden Kindergarten sind passend? Welches Programm ist an Nachmittagen angemessen? Wer braucht wie viele Pausen? Was gibt Energie, was saugt sie? Was wünschen sich meine Kinder von mir und meinem Mann?
Was ist gut für unsere Familie? Mit jedem weiteren Mitglied einer Familie ist diese Frage komplexer zu beantworten. Jede und jeder Einzelne braucht zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Dinge. Das Zufriedenstellen aller Seiten ist damit ein anspruchsvoller Balance-Akt. Immer wieder geschieht es, dass nicht alle gleichzeitig und gleichermaßen glücklich sind. Und trotzdem sind da die Rituale, die für uns alle wohltuend und verbindend sind: Gemeinsame Mahlzeiten, Kuschelpausen und Toben. Sie machen aus uns das eng verbundene WIR und charakterisieren uns als Familie.
Und da gibt es meine Partnerschaft. Viel zu häufig agieren mein Mann und ich als Eltern-Team. Wir übernehmen unsere Rollen als Vater und Mutter, unsere Rollen bei der Arbeit, im Haushalt und in der Familienorganisation. Die Rolle der liebevollen Partner, die füreinander ein offenes Ohr haben, die Sorgen und Themen des anderen teilen, miteinander lachen und kuscheln, die stehen häufig hinten an. Mit jedem Jahr das unsere Mädchen älter werden, erhält die Partnerschaft aber wieder mehr Raum.
Für mich ist es mühsam ein gutes Maß zu finden: Rücksicht auf meine Familie und Beachtung ihrer Bedürfnisse erscheinen mir elementar. Gleichzeitig muss ich dem irgendwann ein Ende setzen. Denn ohnehin werden in meinem Kopf schnell Stimmen laut, die ebenfalls an den Kräften zehren. Anerzogen, hochgezüchtet, im Erwachsenen-Alter gehegt und gepflegt. Sie suchen mich heim, dämpfen meine Zuversicht, stellen alles in Frage. Sie rauben mir Energie. Energie, die ich unbedingt brauche, um mutig und entschlossen meinen beruflichen Weg zu gehen. Energie, die mich durch müde und entkräftete Zeiten trägt und mich vorantreibt, weil ich ein Lichtlein sehe, eine Vision verfolge, Ziele verwirklichen will:
Darf ich das?
„Du schickst deine Kinder in die Betreuung, obwohl sie bei dir zu Hause bleiben könnten. Denn du gehst ja (noch) nicht arbeiten. Diese wenigen Stunden täglich am Computer. Das könntest du auch abends erledigen. Deine Kinder sind so klein – die brauchen dich!“
„Was??? Schon wieder holt die Oma die Kinder vom Kindergarten ab? Rabenmutter! Wofür hast du diese Kinder bekommen?“
„Du gönnst dir ein Frühstück mit einer Freundin? Unter der Woche? Sport am Vormittag? Schäme dich!“
„Berufliche Umorientierung mit all dem gedanklichen und zeitlichen Eingespannt sein? Ist es nicht vermessen sich das herauszunehmen in einer Zeit in der dein Hirnschmalz auf die gesunde Entwicklung deiner Kinder verwendet werden sollte!?“
Die Gedanken quälen mich und erschweren die Fokussierung auf berufliche Ziele. Denn es fühlt sich so an als setzte ich für eine gewisse Zeit meine eigenen Interessen und Bedürfnisse nach ganz oben. Als stellte ich mich an Platz 1 und reihte alles andere darunter ein. Und diese Priorisierung verträgt sich mit dem mütterlich-aufopfernden Bild, dass ich insgeheim von mir habe, wirklich schlecht. Oder ist es eher das Bild unserer Gesellschaft, das ich indoktriniert habe? „Sei mütterlich, kümmere ich, stelle dich zurück. Tust du es nicht, bist du egoistisch. Und Egoisten mag keiner.“ Und was wird nur aus den Kindern einer Egoistin?
Ja! Das tue ich für mich!
All das ringt mir viele Kräfte ab, es verlangt Mut und in manchem Gespräch Selbstbehauptung oder Ignoranz. Es schmerzt und bedeutet harte Arbeit den Blick auf mich selbst zu richten und alles andere in den Off-Modus zu verbannen. Aber ohne diese Fokussierung komme ich nicht voran. Und im Grunde weiß ich ganz sicher: Die Verwirklichung meiner beruflicher Ziele ist kein egoistischer, sondern ein selbstfürsorglicher Akt. Ein Akt der Wertschätzung für mich und der Befriedigung des Bedürfnisses nach Anerkennung von anderen. Und zwar nach Anerkennung für berufliche Kompetenzen und nicht „nur“ für den passenden Erziehungsstil oder für „wohlgeratene“ Kinder.
Und – oh Wunder – die Zufriedenheit die ich auf diesem Wege erreiche, macht mich zu einer ausgeglichenen, geduldigen und präsenten Mutter. Zu einer Mutter, die ihre Kinder auch dafür liebt, dass sie ihr (wenn auch unbewusst) diese Me-Time zugestehen und sie beruflich wachsen lassen. Die nachmittags ausgelassen spielen kann, weil der Vormittag nicht (nur) mit Wäsche waschen, sondern auch mit spannenden Inhalten und Projekten gefüllt war. Zu einer Mutter, die vielleicht abends um neun todmüde ins Bett sinkt – aber dabei zufrieden ist. Denn sie hat ihre Wirksamkeit gespürt und erlebt, dass ihr berufliches Tun Effekte erzielen konnte.
Und somit ich habe etwas für das WIR getan. Und etwas für das IHR. Aber eben auch für das ICH – und das ist nicht egoistisch, das ist zutiefst gesund!
Hallo Kaja
Wieder kann ich deine Gedanken sehr gut nachvollziehen. Und ich fühle micht ertappt, habe ich mich doch auch gefragt: „darf die das?“
Wie gut wäre es, wenn nicht die Anerkennung durch andere Triebfeder für / im Job wäre. Leider kann ich nicht verraten wie dies geht. Ich habe es bis heute im hohen Alter von 61 Jahren nicht geschafft andere ähnlich befriedigende Triebfedern zu finden.