
Erster Akt: Vor der Krise
Beginnen wir mit dem Normalzustand. Vor der Krise. Dem Leben wie wir es führen – unserem Weg eines „bewussten“ Lebens. Wir versuchen es nachhaltig, bio, fair. Die Existenz eines Klimawandels mit dem Potenzial zur ausgewachsenen Katastrophe, die wurde mir nicht erst gestern bewusst. Ich glaube schon lange, dass wir unsere schöne Erde ausnehmen. Dass wir zu viel wollen, in zu kurz. Zu häufig. Zu gnadenlos. Ich bin der festen Überzeugung, dass nahezu jeder Mensch auf der Erde egoistisch handelt. Der Radius der Menschen, für die er alles geben würde – sogar das Leben umkrempeln und neu denken – der ist sehr begrenzt.
Nun gut. Wir kennen es nicht anders. Wenn alles zu jederzeit verfügbar ist, einzig begrenzt durch die finanziellen Möglichkeiten, dann ist es schwierig darauf zu verzichten. Wir haben uns eingelebt in diesem materiellen Luxus. Meist meinen wir, nur so geht es. Nur das macht uns zufrieden. Wer viel schafft – und das tun wir – der darf sich auch belohnen. Work hard, play hard. Völlig klar.
Dieser Konflikt unserer Generation ist nichts Neues. Er ist den meisten bewusst, unterstelle ich. Wir hängen irgendwo zwischen den „Die CDU wird es schon richten“-Greisen in Eltern- und Großeltern-Generation und der engagierten Fridays-for-Future-Bewegung. Wo stehen wir? Wie finden wir unsere Rolle?
Wir stricken unser Leben um – im Kleinen. Im Bequemen. Machbaren. Bio einkaufen geht. Zumindest meist. Wir versuchen Plastik zu reduzieren, fahren Rad. Wir kaufen Kleidung Secondhand. Oder fair trade. Zumindest, wenn sie uns gefällt. Falls nicht, dann drücken wir ein Auge zu. Ist ja nur das eine Mal. Sieht ja keiner. Wir lassen uns Solarzellen auf das Dach setzen und überlegen, wofür wir ein Auto brauchen. Und ob es nicht auch ein Elektroauto täte. All das ist gut. All das ist mehr, als viele tun. Der Gedanke beruhigt unser Gewissen.
Und dann tun wir die Dinge, bei denen wir wissen, dass das Klima sie uns nicht dankt. Aber hey, sie machen halt Spaß. Oder es wäre mühsam sie nicht zu tun. Auf Fleisch so ganz zu verzichten, zum Beispiel. Das kommt uns wie Entsagung vor. Und ab und an Essen zu bestellen, ist einfach nett. Beim Anblick all der Alu-Verpackungen fühlen wir uns kurz schlecht. Und widmen uns dann der Frühlingsrolle. Wir fahren Strecken mit dem Auto, die auch mit Rad oder Bahn gingen. So gibt es viele Dinge, die uns wertvoll sind. Ohne die das Leben vermeintlich an Glanz verlöre. Und die wir – wider besseren Wissens – nicht missen möchten.
Wir sind nicht so richtig radikal fürs Klima unterwegs und auch keine Ignoranten. Wir sind irgendwo dazwischen. Damit ging es mir bisweilen ganz gut. Ab und an überkam mich die Frage, ob ich genug tue. Dann fand ich noch ein oder zwei Wege mehr, um Ressourcen zu sparen und beruhigte damit mein Gewissen.
Zweiter Akt: Auslöser meiner Krise
Das eigene Gefühl „eine Menge zu tun und damit meinen Beitrag zu leisten“ hat mich lange ruhig schlafen lassen. So wäre es vermutlich geblieben, gäbe es nicht zwei Faktoren, die mittlerweile erheblich an dieser Selbstzufriedenheit und der Zuversicht, dass alles schon gut gehen wird (wie doch eigentlich immer!), rütteln würden:
Erstens: Die Tatsache, dass wir zwei kleine Kinder in diese Welt gesetzt haben.
Zweitens: Die Wissenschaft, die zunehmend – und gerade noch einmal sehr nachdrücklich – betont, dass es allerhöchste Eisenbahn ist, das Ruder herumzureißen. Und endlich Fakten zu schaffen, um die Erderwärmung aufzuhalten!
Die Sache mit den Kindern ist ein alter Hut. Die Frage, ob man Kinder in diese Welt setzen könne, erschien mir früher immer zu negativ und radikal. Mittlerweile umtreibt sie mich regelmäßig. Im Grunde ist es mir schier unbegreiflich, wie wir weiterhin so leben können. Als gäbe es nichts, das wir bedenken müssten. Als wären da keine Weichen, die dringend gestellt werden müssten. Ich habe mir immer Kinder gewünscht und habe deshalb – mir scheint eher unbewusst – die Frage der Rechtfertigung für diese Entscheidung ignoriert. Hinzu kommt, dass ich mir um viele Dinge mehr Gedanken und Sorgen mache, seit wir Eltern sind. Meine Umwelt zu ruinieren und diesem Lebensstil im schlimmsten Fall irgendwann zum Opfer zu fallen, ist die eine Sache. Meine Kinder mit in den Abgrund zu reißen, eine andere. So ist meine persönliche Klimakrise letztendlich das Gleiche wie die Entscheidung selbst, Kinder zu bekommen: (Teilweise) ein egoistischer Akt.
Ja, das Leben mit Kindern erschien mir schon immer erfüllter, irgendwie sinnhafter. Und hoffnungsvoll. Kinder sind die Zukunft. Nur muss es eine geben, die zu erreichen sich lohnt. Wir haben Kinder bekommen, weil wir das so wollten. Nun ist es an uns die Welt so zu erhalten, dass sie noch in 20, 30 und 40 Jahren ein wunderbarer Ort ist. Mehr noch: Auch in 80. Und selbst dann: Müssen wir unseren Kindern irgendwann mitteilen, dass sie selbst besser gegen eine Familiengründung entscheiden, weil der Lebensraum für Menschen auf unserem Planeten stetig schrumpft und eines der größten Probleme die Bevölkerungsdichte ist? Mal ehrlich, das können wir nicht wollen! Geben wir nicht all unsere Liebe, unsere Kräfte und große Teile unseres Verstandes dafür her, unseren Kindern eine wunderschöne Zeit auf diesem Planeten zu ermöglichen?
Werden Zahlen genannt, dann wird mir manchmal richtig schlecht. Wenn die Meeresströme, die unser Klima mildern, irgendwann nicht mehr fließen, sind es nur noch wenige Jahrzehnte, bis sich in unseren Breiten ein radikaler Klimawandel vollzieht. Es heißt, in den nächsten zehn Jahren müssten handfeste Veränderungen eingeleitet werden. Schon 2030 erreicht die Erde vermutlich eine Erwärmung von 1,5 Grad. Ich rechne fleißig und erschrecke: 2050 sind meine Kinder so alt wie ich heute. Mit welcher Realität müssen sie sich dann vielleicht herumschlagen?
Die Wissenschaftler, sie stehen auf, sie schreien förmlich, um endlich Gehör zu finden. Wie frustrierend muss es sein, wenn man jahrelang versucht zur Menschheit durchzudringen, aber keine wirkliche Veränderung sieht? Und dass, obwohl vor wenigen Wochen zahllose Menschen im Westen Deutschlands ihr Zuhause verloren? Obwohl eine Pandemie seit eineinhalb Jahren wütet und unser Leben auf den Kopf stellt? Obwohl die Griechen davon sprechen, dass die Waldbrände in ihrem Land die schlimmsten seit 100 Jahren sind?
Wenn sich Katastrophen anbahnten, dann waren da meistens Menschen, die sie kommen sahen. Menschen gingen auf die Straße, setzten sich zur Wehr. Und wurden ignoriert, ausgelacht oder verprügelt. Jedoch: Recht hatten sie! Als die Gutgläubigen das verstanden, war es leider zu spät.
Wollte ich all die komplexen Abläufe verstehen, die sich schon in Natur und Atmosphäre abspielen und die Szenarien, die noch kommen können, bräuchte ich Jahre (und verstände vermutlich trotzdem nur die Hälfte). Ich versuche die Grundproblematik zu verstehen und finde sie mehr als eindeutig. Was ich nicht begreifen kann ist: Unsere Trägheit! Ist es Optimismus oder eine ausgeklügelte Verdrängungsstrategie? Wie können wir heute so erfolgreich wegsehen, wenn uns etwas an unserer Zukunft liegt, an der unserer Kinder?

Dritter Akt: Meine politische Krise
Vor Kurzem las ich einen Gedanken, der mir sehr sinnvoll erschien: Es ist äußerst gefährlich, wenn den Menschen suggeriert wird, durch ihr individuelles Handeln könnten sie den Klimawandel aufhalten. Natürlich ist das eigene Tun wichtig und richtig und ich fühle mich nur so wohl. Denn – so blöd das klingen mag – sollte ich tatsächlich eines Tages mit meinen erwachsenen Kindern auf der vielfach skizzierten Sanddüne stehen und in eine Wüste blicken wo früher Wald, Wiesen und Bäche waren, dann würde ich wenigstens gern sagen: Ich habe mich engagiert. Ich habe das Thema ernst genommen, wir haben überlegt, was wir tun können. Wir haben unser Leben umgestrickt und versucht unseren Beitrag zu leisten. Und zwar mit selbstkritischem Blick und dem ständigen Optimierungswillen: Stetig, immer besser, immer mehr.
Dieser kluge Klimaforscher (Michael E. Mann) sagt, die Verantwortung beim Individuum zu parken zusammen mit dem medial verstärkten Eindruck, wir könnten die Klimaerwärmung eh nicht stoppen, führe zu Volksmüdigkeit und dem Gefühl, es eh nicht ändern zu können. „Ok, wir gehen gemeinsam unter. Wir haben es verstanden. Dann feiern wir eine fette Party bis zuletzt und wer den letzten Schluck Sauerstoff abbekommt, der knipst das Licht aus. Danke.“ Oder so ähnlich.
Nein, wir brauchen die Politik. Ganz ehrlich: Dafür sind die da! Schon klar, die haben viele Aufgaben. Aber irgendwann brauchen wir uns nicht mehr um Bildung, Beziehungen zum Ausland oder Rente kümmern. Noch bevor diese Erde nicht mehr bewohnbar ist, wird für all diese Dinge sicherlich kein Geld mehr da sein. Denn das wird für überhetzte und viel zu spät einsetzende Versuche genutzt, zu retten was noch zu retten ist.
Also: Mehr denn je geht es darum, in diesem Jahr die Parteien zu wählen, die tatsächlich eine Menge für das Klima tun. Nicht jene, die lieber die Steuern der Reichen schützen oder gar den Klimawandel für eine Erfindung halten.
Und: Ich verstehe sie sogar, die Alten. Ihre Zeit war eine andere. Sie erlebten ein zerstörtes Deutschland. Und dann eines, das langsam aber stetig wiederaufstieg. Das stärker und erfolgreicher wurde als je zuvor. Dessen Wirtschaft erblühte und ungeahnten Wohlstand ermöglichte. Dass all dies zunehmend auf Kosten unserer Erde und deren Rohstoffen geschah, verstanden wir erst später. Sie wählen eine Partei, die für Konstanz steht. Für wirtschaftliche Stärke, konservative Werte. Und auch eine Partei, die sich stark machte für den Impfschutz eben dieser Generation des letzten Jahrhunderts. Das Vertrauen kann ich nachvollziehen.
Und trotzdem macht es mich sehr unruhig, dass all diese Menschen für eine Zukunft wählen, die uns gehört. Und unseren Kindern. Und dass die, die die Gesundheit unserer Erde am meisten betrifft, nicht wählen können.
Vierter Akt: Corona-Jammerei
Mittlerweile macht es mich fast wütend, wenn über Corona gejammert wird. Das ist unfair, denn ich tue es auch und habe es seit dem letzten März kontinuierlich getan. Doch jetzt muss ich sagen: Wir sind alle geimpft (wenn wir es wollen), viele der Dinge, die unser Leben schön machen und bereichern, gibt es nach wie vor. Die größte anzunehmende Krise aktuell: „Was, wenn wir in Quarantäne müssen???“ Na, dann bleiben wir eben zwei Wochen zu Hause. In unserem Haus mit Garten. Mit frischer Luft und sauberem Wasser. Auch mit Schrecken betrachtet: Was tun wir, wenn unser Urlaub flach fällt? Ja, das wäre übel. Zugegeben richtig nervig. Aber dann machen wir ihn eben etwas später, oder nächstes Jahr. Noch geht das alles: Da sind Strand, Sonne, Wald, Regen. Alles da, Klima (fast) wie immer.
Nicht missverstehen, ich bin überaus Corona-müde und litt sehr unter den Lockdown-Bestimmungen und den Einschränkungen – besonders im sozialen Miteinander. Aber meine verflixte persönliche Klimakrise… die bringt ganz anderes mit sich.
In meinen Corona-Frust Momenten denke ich immer: Wenn unser Leben nicht wieder so werden kann, wie es einmal war (weil eine Mutation die nächste jagt und/oder die geringe Impfbereitschaft dazu führt, dass die Krankheit nicht ausreichend begrenzt werden kann), dann entwerfen wir es neu. Dann wird es langsamer, der Radius kleiner. Wir werden nicht mehr weit reisen und die Menge der Kontakte wird sich nachhaltig reduzieren. Beides ist ja eh die Realität der letzten eineinhalb Jahre. Sollte es so bleiben, dann möchte ich anders wohnen. Ländlich, zusammen mit enger Familie und Freunden. Die Idee, sich unser eigenes kleines Paradies zu schaffen, fühlt sich machbar an. Sie hat sogar ihren Reiz. Ein Teil von mir – dessen Größe ich noch erschließe – sehnt sich eh recht häufig nach einem ganz anderen Leben. Mit weniger „müssen“, Stress und „work hard, play hard“-Momenten. Der Entschleunigung und dem Leben mit begrenzteren Möglichkeiten, denen kann ich durchaus etwas abgewinnen. Auch finanzielle Engpässe schocken mich nicht.
Ich bin der festen Meinung, dass ein solches Leben ein harter Umbruch wäre. Dass insbesondere wir, aber auch unsere Kinder sich umstellen und lernen müssten, dass wir von vielen Dingen und von einigen Menschen, Abschied nehmen müssen. Dass diese Teil einer Vergangenheit sind, die wir tief in uns verschließen und immer im Herzen tragen werden. Die aber vermutlich nicht zurückkommen wird. Aber ich glaube daran, dass dieses reduzierte, verlangsamte Leben, diese Besinnung auf das Wesentliche, uns gut gelingen kann. Und dass es uns damit gut ginge.
Vor dem Klimawandel allerdings können wir nicht fliehen. Tritt er in voller Heftigkeit ein, dann betrifft er uns alle. Er wird an jedem Ort dieser Erde Spuren hinterlassen. Ich finde diese Erkenntnis zutiefst frustrierend: Wir können den Folgen der Menschen gemachten Entscheidungen nicht entfliehen. Wir alle fallen ihnen zum Opfer – egal wie bewusst und nachhaltig wir gelebt haben. Daraus könnte ich nun recht fatalistisch schlussfolgern, dass ich eh keine nennenswerten Einflüsse habe und mich daher zurücklehnen und abwarten kann. Ob die Weltbevölkerung die richtigen Parteien wählt, ob diese die überfälligen Entscheidungen treffen. Und natürlich, ob die Prognosen der Wissenschaftler, dass die Erderwärmung so noch aufzuhalten ist, zutreffen.
Wie leicht ist doch das Leben der Verdrängenden oder gar der Negierenden. Auch jenen geht es gut, die ihr volles Vertrauen in Entwicklung und Wirtschaft legen und daher sicher sind, dass rechtzeitig ökologische Lösungen entworfen werden und der CO2-Ausstoß so verhindert werden kann.
Ich glaube all das leider nicht. Auch die Corona-Krise ist nicht gerade ein Musterbeispiel für gesellschaftlichen Zusammenhalt und solidarisches Verhalten. An zahllosen Stellen wurden Skandale rund um korrupte Politiker aufgedeckt, die sich im Rahmen der Maskenbeschaffung und des Gesundheitsschutzes bereicherten. Und es gibt endlose Beispiele mehr, in denen die Arbeit der Lobbyisten und der Druck der Wirtschaft mehr oder weniger offensichtlich die Entscheidungen in der Politik beeinflussen. Wie auch sonst ist es zu erklären, dass das Ende der Nutzung fossiler Brennstoffe in so weiter Ferne liegt? Oder dass die Automobilindustrie in solch langsamen Schritten umrüstet? Gleichzeitig sehen wir durch Corona, wie hart Politik durchgreifen und wie effektiv und schnell Gesetze umgesetzt werden können, wenn der Notstand ausgerufen wird. Wo ist diese Durchsetzungsgeschwindigkeit bei den Fragen des Klimawandels?
Es herrscht ein Dickicht aus ungeklärten Fragen, undurchsichtigen politischen Entscheidungen und einer Gefahr im Hintergrund, die wir nicht greifen können. Die wir nur ernst nehmen können. Oder es eben bleiben lassen. Mit dem Kopf tief drinnen in diesem Dickicht erscheint mir all mein Jammern rund um Corona nicht ernstzunehmend. Es erschreckt mich vielmehr, dass die meisten von uns bereit waren, all die anderen dringlichen Themen unserer Zeit weitgehend zu vergessen und sich ganz in ihrem eigenen Schmerz der Entsagungen zu suhlen. Es ist so schade, wenn alles was bleibt das Selbstmitleid ist.

Fünfter Akt: Klima-Hexe „off“
Ich mutiere zur Klima-Hexe. Ich hinterfrage alles, was wir tun. Sobald es nicht nahezu CO2 neutral machbar scheint. Jede Plastiktüte löst eine kleine Krise in mir aus. Mein Umfeld ist zunehmend genervt. „Dass sie immer gleich so radikal sein muss!“ Bin ich in der Öffentlichkeit unterwegs, nimmt mein Unmut noch zu. Es ist einfach, (nahezu) Fremde für ihr Verhalten zu verurteilen. Die Mutter, die für ihr Baby zahllose Packungen Einmal-Waschlappen kauft. Und wie viele Eltern unserer Kita bringen und holen ihre Kinder eigentlich täglich mit dem Auto? Es gibt endlos viele Beispiele mehr, die mir begegnen – ich fühle mich irgendwie überhitzt, empfindlich, auf Spannung.
Und dann denke ich: Genau auf diesen Effekt spielt Michael E. Mann an. Wir attackieren einander, setzen überhöhte Maßstäbe an, denen wir selbst kaum gerecht werden. Und – selbst wenn wir es sogar könnten – es ist unfair und sogar gefährlich, mein Umfeld für ein Verhalten zu verurteilen, dessen Beweggründe ich nicht kenne.
Ja, es gibt gerade eine Menge Wut in mir. Das wurde vielleicht an der einen oder anderen Stelle deutlich. Ich weiß gar nicht wohin mit all dem Ärger, dem Frust, der blanken Angst. Ich würde sie so gerne in die Welt hinausschreien und endlich etwas bewirken. Ich wünsche mir von Herzen nichts mehr, als ein konkretes und erfolgversprechendes Konzept aller Regierungen, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Diese ständigen Hiobsbotschaften rauben mir momentan wirklich den gesunden Schlaf!
Seit Wochen umtreibt mich dieses Thema. Einer Krise ähnlich wechseln sich Ärger, Traurigkeit und Verzweiflung ab. Machtlosigkeit und Unverständnis für all das, was nicht getan wird, würzen diese Gefühle. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass Panik selten produktive Lösungen hervorgebracht hat. Weder im Großen, Ganzheitlichen. Noch in meinem kleinen Kosmos. Niemandem ist geholfen – und schon gar nicht meinen Kindern und mir selber – wenn diese Starre mich langanhaltend bewegungsunfähig macht. Für mich – ganz persönlich – wünsche ich mir ein Abflauen meiner inneren Klimakrise. Ich möchte Zutrauen haben in die Menschheit und darein, dass am Ende doch das gemeinsame Ziel der gesunden Erhaltung unserer Erde über die egoistischen Belange siegt.
Ich suche nach Möglichkeiten, um effektiv Dinge bewirken zu können. Ich möchte mit anpacken, meiner Familie, meiner Stadt, meiner Erde einen guten Dienst erweisen. Und dann brauche ich Inseln der Auszeit. Denn diese Klimasorgen rauben Kräfte; sie gehen an die Substanz und nagen an meiner Zufriedenheit. Das kommt mir allerdings höchst kontraproduktiv vor: Depressiv, traurig und pessimistisch durch das Leben zu ziehen, das gerade in seiner vollen Blüte vor mir steht. Mein Leben ist jetzt. Familie sind wir heute. Die Zufriedenheit meiner Kinder in der Gegenwart, die kann ich aktiv mitbestimmen. Ebenso die meines Partners und meine eigene. Eine depressive Grundstimmung hat selten bunte Ideen und wertvollen Fortschritt gebracht.
Was wir brauchen sind Aktionismus, der Glaube an das Gute und Optimismus. Und ein starkes Wir-Gefühl, die Besinnung auf das Wesentliche, den Genuss von Liebe und Freundschaft. Diese Werte können mir bedeutsame Eckpfeiler sein. Durch sie gestärkt und stabilisiert, möchte ich mich herausstrampeln aus meiner persönlichen Klimakrise. Ich habe genug gewettert und gezetert. Es ist Zeit zu handeln! Zeit, mich (in Maßen) zu ärgern und aus dieser Energie etwas Produktives zu machen. Etwas Nachhaltiges. Zeit verschwendet haben wir schließlich schon genug!