Berufliche Umorientierung – mit kleinen Kindern im Gepäck

Zufriedenheit im Familienleben und in der Partnerschaft. Eine abgewogene und erfolgreiche Selbstfürsorge. Berufliche Selbsterfüllung. 

Alle diese Dinge würde ich gerne mit einem großen, zufriedenen Haken versehen. Ausgeglichen und selbstzufrieden flitzte ich dann wohl durch mein Leben. Tempo und Dichte machten mir wenig aus, denn ich wäre ja auf allen Ebenen ganz erfüllt. Ich würde stets breit grinsen und jedem berichten, wie wunderbar mein Leben doch sei. Erfolg auf ganzer Linie…

Soweit mein Wunschtraum, mein Ideal einer nahen (oder auch fernen) Zukunft. Zwischen Traum und Realität klafft allerdings ein Loch. Ob es tatsächlich Menschen in einer vergleichbaren Lebenssituation gibt, die in großer Regelmäßigkeit all diese Haken setzten könnten, wage ich zu bezweifeln. Die Krux ist wohl, dass der Fokus auf einen dieser Bereiche schnell die Vernachlässigung eines der anderen mit sich bringt:

Ein harmonisches und vielseitiges Familienleben stabilisiert und beflügelt vermutlich auch die Partnerschaft, nimmt der Selbstfürsorge und der Zeit für mich aber Räume. Berufliche Fokussierung geht schnell dem Privatleben an den Kragen. Ein kompliziertes Geschäft dieser Ausgleich der Work-Life-Familiy-Balance.

Die berufliche Selbsterfüllung bereitet in meinem Fall besondere Bauchschmerzen. Seit wir eine Familie sind, haben sich mein Bild von Berufstätigkeit und meine Ansprüche an Arbeit erheblich verändert. Ich will nicht mehr dahin zurück wo ich war. Die Bedingungen meiner Tätigkeiten vor dem ersten Kind waren auch kinderlos nicht berauschend – heute erscheinen sie mir restlos unattraktiv. 

Eine berufliche Neuorientierung muss her. 

Mir scheint mit diesem Erleben bin ich nicht alleine. Schaue ich mich in meinem Umfeld um so entdecke ich reihenweise junger Mütter, die sich mit ihrer beruflichen Entwicklung auseinandersetzen. Viele von ihnen gingen nach der Elternzeit zunächst in ihren alten Job zurück, sind gedanklich aber vielfach mit Alternativen beschäftigt. Andere suchten sich Übergangslösungen und wälzen die beruflichen Fragen immer wieder aufs Neue. 

Wohin sie genau wollen, wissen die meisten von ihnen (noch) nicht. Einiges haben sie aber bereits für sich erkannt:

Die Arbeit hat ihre zentrale Bedeutung verloren. Der Blick auf Berufstätigkeit ist nutzenorientiert; unangefochten an erster Stelle stehen die Kinder und das Familienleben. Die berufliche Tätigkeit muss sich mit dieser Prioritätenverschiebung zufriedengeben. Es bedeutet nicht, dass die Qualität der Arbeit und das Engagement leiden. Es sorgt aber für eine reduzierte zeitliche Flexibilität und für Pragmatismus. Für einen gesunden Pragmatismus im Übrigen, der auch Selbstsicherheit und Gelassenheit mit sich bringt. (Wovon viele Frauen von Natur aus keine Unmengen besitzen und ihnen diese Entwicklung tatsächlich ganz gut steht.) Sie wissen auch, welche Ansprüche sie an die organisatorische Ausgestaltung ihrer Tätigkeit haben. 

Woher kommt der Drang zur beruflichen Umorientierung? Immerhin bringt sie eine Vielzahl an Herausforderungen mit sich, verlangt Mut und Kopf und Zeit. 

Möglicherweise findet mit der neuen Lebensphase eine Werteverschiebung statt, die mit vielen Jobs nicht vereinbar ist. Oder sie entspringt dem Wunsch nach vielen Jahren aufopferungsvoller Care-Arbeit etwas für sich selbst zu tun. Vielleicht möchten wir auch Vorbilder sein und unseren Kindern zeigen, dass wir die Schmiede unserer Selbstzufriedenheit sind und uns auch beruflich unseren Wünschen entsprechend entwickeln können.

Was auch immer die Antreiber sind, wir halsen uns eine Menge auf. Nerven, Emotionen, Kräfte und Gedanken gelten in so vielen Momenten der Begleitung unserer Kinder, dass es ein Kraftakt zu sein scheint die Reste für kreative berufliche Prozesse zu verwenden. Ganz zu schweigen davon, dass dies zwangsläufig auf Kosten der Selbstfürsorge gehen muss. (Wobei diese – und in jedem Fall die Selbstzufriedenheit – natürlich große Chancen haben mit einer erfolgreichen Umorientierung zu wachsen.)

Eine berufliche Umorientierung benötigt Hirnschmalz, Zeit, Impulse von außen und jede Menge Kreativität. Und natürlich eine Idee, ein Ziel, eine Vision oder einen Traum. Irgendetwas in dessen Nähe wir kommen möchten. 

Ich erlebe die Kreativität dabei als eine besonders große Herausforderung. Um kreativ zu sein, muss ich um Ecken denken, neue gedankliche Räume betreten und frech sein. Ich muss Settings verändern und Momente nutzen in denen neue Gedanken durch meinen Kopf blitzen. Der Mental load des Familienlebens wirkt auf mich immer wieder wie ein Hemmer. Er hindert das beflügelte Weiter- und Umdenken und macht meinen Kopf schwer. Nur langsam und bruchstückhaft gelingt es mir, kreativ und konzeptionell zu arbeiten und kleine für mich sichtbare Schritte im Prozess voranzukommen.

Eine weitere Herausforderung sind die Impulse von außen. Ähnlich der Frauen in meinem Bekanntenkreis, habe ich bereits das eine oder andere Seminar zur beruflichen Orientierungshilfe besucht. Und selbstverständlich ist meine berufliche Laufbahn regelmäßig Gesprächsthema in ebendiesem Bekanntenkreis und mit meinen engen Freunden. Manches davon hilft, anderes weniger. Die Auswahl eines geeignetes Gesprächspartners erscheint also auch herausfordernd und bedarf einer detaillierten Analyse.

Also: (zwei) Kinder im Gepäck, zahllose tatsächliche oder vermutete Erwartungen meines Umfeldes an mich, die ewigen Kritiker in meinem inneren und lange ToDo-Listen in der Tasche – die Voraussetzungen für eine berufliche Neuerfindung könnten einfacher sein. Und dennoch, der Drang ist da und der Wunsch, jetzt neue berufliche Schritte zu gehen. Nicht erst wenn die Kinder in die Schule gehen, wenn die Pubertät geschafft ist oder sie gar eigene Wege gehen. Nein! So dicht das Leben auch ist – diese turbulente Zeit setzt ungeahnte Kräfte frei. Und belebt Wünsche und Ziele in mir. Und in vielen anderen jungen Müttern auch. Vielleicht mangelt es bisweilen an stützenden Konzepten um diesen Weg erfolgreich zu gehen. Aber wo ein Wille ist, da muss auch ein Weg sein. Ganz sicher!!!

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