Auf los gehts los: Qualifikationen berufstätiger Mütter

Vier Jahre Elternzeit. Vier Jahre in denen meine Gedanken um das Wohl meiner Kinder kreisten. Und um das der Familie. Selten um meins. Vier Jahre wickeln, kochen, spielen, waschen, aufräumen, streiten, Verabredungen koordinieren, wieder aufräumen…. Vier Jahre Vollzeit-Mum!

Denkbar wäre auch: vier Jahre Vollzeit-Papa. Und mir ist bewusst, dass es dieses Modell zunehmend gibt. Ich möchte diesen Männern nicht auf die Füße treten. Auch sie sind mit großen Herausforderungen konfrontiert und stehen teilweise ähnlichen, teilweise anderen Schwierigkeiten gegenüber. Trotz allem erlebe ich es bisweilen so, dass es immer noch hauptsächlich ein Mütter-Thema ist. Deshalb nehme ich hier diese Perspektive ein.

Ein Wiedereinstieg in die Berufswelt macht Angst. Ich fühle mich weit weg von den beruflichen Inhalten. „Was kann ich denn bieten? Ich habe vier Jahre verloren.“ Und dann dieser Klotz namens „Kleinkinder“ am Bein. Das Grauen jeden Unternehmens: ständige Ausfälle aufgrund kranker Kinder und später aufgrund infizierter Eltern. Gekrönt von dem größten Problem: dem mutmaßlich mangelhaften Engagement. „Das weiß doch jeder, dass die Familie an erster Stelle steht. Da ist eine geringe Arbeitsqualität vorprogrammiert!“

Das Wissen um all diese Zweifel lähmt mich. Sie sind mal laut und mal leise, aber stets da. Arbeite ich konzentriert und zielorientiert, werden sie kleiner. Aber sobald sich Pausen ergeben, Unklarheiten über das weitere Vorgehen auftauchen – sind sie zurück. Sie sind Gewichte auf meinen Schultern. Sie nehmen mir die Leichtigkeit optimistisch zu bleiben. Und sie reduzieren meine Schrittgeschwindigkeit. Schnell fange ich an meine „großen“ Ziele anzuzweifeln. Vielleicht doch besser kleine Brötchen backen!? 

Nein! Kleine Brötchen schmecken nicht!

Eine Rebellion baut sich auf: Von diesen inneren und äußeren Zweifeln lasse ich mich nicht unterkriegen! Ich möchte die Gewichte von meinen Schultern schubsen und loslaufen. Ich sage mir selbst: Du schaffst das, wenn du nur willst. Lass die anderen zweifeln! Ich brauche meine Kräfte um groß zu denken und auf mich zu vertrauen. Ziele sind da um mir Orientierung zu geben. Um die Energie freizusetzen, die ich für ihre Erreichung brauche. Ziele sind da um erfüllt zu werden.

Und es stimmt: Die Familie steht an erster Stelle! Das ist auch für mich ein neues Gefühl und eines in das ich hineinwachse. Die Bereitschaft alles in den Job zu investieren – alle Kräfte, Gedanken, alle Zeit – die ist nicht mehr da. Ich bin nicht bereit bis in die Abendstunden oder Vollzeit zu arbeiten. Denn viel meiner Kapazität fließt in das Großprojekt „Familie – Kinder bekommen, pflegen, am Leben erhalten, lieb haben.“ Dahinter steht alles zurück. Selbst die Beziehung zum Partner und die Fürsorge für sich selbst. 

Aber ist das eigentlich ein Problem? Wer sagt denn, dass es gut ist sich für seinen Job aufzuopfern? Wer sagt es sei gesund bis spät in die Nacht zu schuften und auch am Wochenende berufliche Probleme zu wälzen? Ein wenig Pragmatismus und eine ausreichende Distanz zur Arbeit halten gesund. Ausgebrannte Mitarbeitende braucht kein Unternehmen.

Vermehrt lese ich die Grenzen zwischen Job und Privatleben verschwämmen immer mehr und der Anspruch der Arbeitnehmer:innen sei es sich mit ihrer Arbeit zu identifizieren. Die Arbeitnehmerin von heute soll so gerne arbeiten gehen, dass sie es gar nicht mehr als Last empfindet. Sie geht vielmehr beschwingt und fröhlich ins Büro, denn sie glaubt an das große Ganze und identifiziert sich mit Unternehmenskultur und -leistung. 

Wenn dies aber der neue Anspruch an eine berufliche Tätigkeit ist, dann schließt er das Engagement des Unternehmens mit ein. Mitarbeiter:innen-Bindung erreicht man durch ein ansprechendes Arbeitsumfeld. Und das ist mehr als eine wohlklingende Vision und kulinarische Verköstigungen. Dann geht es darum eine Arbeitsplatzgestaltung zu entwerfen, die den Anforderungen junger Eltern gerecht wird. Das fängt natürlich bei der gleichwertigen Bezahlung an und schließt eine Wertschätzung der Care-Arbeit mit ein. Pionier:innen in der Unternehmensführung gehen mittlerweile sogar noch weiter: Sie bewerten die Elternzeit – bei Vater und Mutter – als Weiterbildung.

Elternzeit als berufliche Weiterbildung?

Eine Mutter kommt nach ihrer Elternzeit fortgebildet in ein Unternehmen (zurück)? Eine verrückte Idee?! 

Keineswegs! Selten habe ich in wenigen Jahren so viele neue und herausfordernde Situationen meistern müssen wie bei meinem Leben mit Kindern. Ganz gleich wie viel Fachliteratur ich lese und wie gut vorbereitet ich mich fühlte: Es kommt dann doch anders! Täglich stehen wir vor neuen Herausforderungen. Erfolg und Misserfolg unseres Handelns sind dabei leicht messbar: Die Reaktion von Baby und Kleinkind spricht Bände. Häufig und immer wieder machen wir Fehler. Das schockt nicht, denn wir merken schnell, dass wir dadurch lernen. Die Folgen der Fehler sind dabei (meist) verzeihlich und klein. Fehlerkulturen werden derweil nur mühsam in Unternehmen etabliert. Zu sehr haben wir Jahrzehnte lang geglaubt für einen Fehler müsse man sich schämen und ihn unter allen Umständen vermeiden. Eltern üben sich tagtäglich in Pragmatismus und Umsetzungsstärke. Ewiges Grübeln ist nicht alltagstauglich – ausprobieren ist erwünscht. Eine ernstzunehmende Kompetenz also die junge Eltern selbstverständlich trainieren und in ihr Arbeitsleben einfließen lassen.

Das Familienleben trainiert außerdem unsere Kreativität. Ständig entwickeln wir neue Ideen und Einfälle. Peinlichkeit gilt nicht. Es zählt, was Erfolg verspricht. Wir lernen die Dinge aus wechselnden Perspektiven zu betrachten und probieren verschiedene Rollen aus. Vorgehen nach Schema F ist selten von Erfolg gekrönt – Flexibilität und kreative Lösungen müssen her. Die Vielzahl der heutigen Berufsprofile lebt von der flexiblen Herangehensweise und der Bereitschaft, festgefahrene Blickwinkel zu verlassen und neue Perspektiven einzunehmen. Kreativität ist demnach überall gefragt und wird als Ressource wahrgenommen.

Nicht zu vergessen ist die Organisationsstärke junger Eltern. Die Liste der täglichen ToDos ist schier endlos: Einkäufe planen und ausführen, Verabredungen koordinieren, Zeitmanagement der Familie im Blick behalten, Kita-Veranstaltungen vorbereiten.… Vieles davon erledigen wir mit den Kindern im Schlepptau und mit dem Anspruch gleichzeitig deren Bedürfnisse zu befriedigen. Wir bauen damit zwei Kompetenzen weiter aus: Selbst- und Fremdorganisation und paralleles Multitasking. 

Woher kommt das negative Image?

Mit dem Blick auf all das frage ich mich sehr ernsthaft: Wieso scheuen wir uns vor dem Berufseinstieg und nehmen uns als minderwertig wahr? Und wie kommt es, dass die Wirtschaft berufstätigen Müttern so häufig ebendiesen Stempel aufdrückt? Beiden Seiten sollte zunehmend deutlich werden, dass eine wertvolle Mitarbeiterin sich nicht an ihrer quantitativen, sondern an ihrer qualitativen Arbeit im Unternehmen erkennen lässt. Und berufliche Qualitäten bringen Mitarbeitende, die aus der Elternzeit zurück kommen, zu Genüge mit!

Die Herausforderung sehe ich daher bei den Unternehmen. Gelingt es ihnen Arbeitsbedingungen zu schaffen, die dem Arbeitswunsch der Mütter mit Wertschätzung begegnen? Bedingungen die anerkennen, dass Zeit ein hohes Gut geworden und nicht immer in gleicher Menge vorhanden ist? Die durch örtliche Flexibilität Entlastung schaffen und bei Engpässen Offenheit für kreative Lösungen signalisieren? Arbeitsbedingungen, die die Erkenntnis berücksichtigen, dass Familien-freundliche Angebote den Eltern Freiräume verschaffen, die sie effizient nutzen können?

Ich bin der festen Überzeugung, dass sie dann eine wertvolle Arbeitskraft gewinnen. Eine Frau die diesen anerkennenden Umgang mit Engagement und sehr guten Arbeitsergebnissen dankt. Die zufrieden zur Arbeit kommt und eine große Bindung an das Unternehmen empfindet. Eine Mutter die in dem Wissen, dass ihrer Arbeitsqualität volles Vertrauen entgegengebracht wird, großartig sein kann. Die all ihre Kompetenzen – erweitert durch die wertvollen neuen – effektiv und gewinnbringend einsetzt.

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