Lass uns Freunde sein – und bleiben!

Ich muss noch schwanger gewesen sein, als ich ein spannendes Gespräch mit meinem Vater und meinem engsten Freund führte. Wir sprachen über das, was sich verändern würde: Mit dem ersten Kind, mit dem Leben als Familie. 

In solchen Gesprächen schlägt mein Vater gerne einen kritischen Ton an. Er selbst erlebte (glaube ich) eine starke Veränderung in seinem Leben, als ich geboren wurde. Meine Eltern waren recht jung, ihr Umfeld lebte frei und unabhängig. Kinder standen dort nicht auf dem Programm und waren wenig von Interesse. So stieg er ein mit der These es sei recht schwierig, Freundschaften aufrecht zu erhalten, wenn die Lebenskonzepte so verschieden seien. Mein Freund, der aufmerksam lauschte, lebte tatsächlich ganz anders als ich: Er wohnte in einer hübschen kleinen Wohnung mitten in Köln, hatte viele verschiedene Freunde, reiste beruflich bedingt immer wieder durch die Weltgeschichte. Er gab Seminare am Wochenende und manchmal wälzte er ausgiebig seinen Terminkalender, bis er einen freien Tag fand. Und er war singel. 

Er und ich, wir schauten uns besorgt an. In diesem väterlichen Rat schwang etwas wie Lebensweisheit mit. Aus den Erfahrungen gelernt, zurückblickend auf eine Lebensphase, die nun vor uns lag. Und doch waren wir schnell sicher, dass es bei uns anders sein würde. Wir waren schon seit der Schulzeit befreundet und heute eng verbunden, nachdem wir einige Jahre zusammengewohnt hatten. Wir hatten in dieser Zeit die Höhen und Tiefen des anderen eng begleitet. Und wir hatten gelernt, sehr offen und ehrlich miteinander zu sprechen. Wir konnten uns geheime Sorgen genauso anvertrauen wie wir Ärger über einander teilten. Die Basis erschien uns stabil: Unterschiedlich lebten wir eigentlich schon immer. Das hatte nie zu Problemen geführt. Was sollte ein Kind daran ändern?

Im Laufe des Gesprächs folgte ein weiterer Gedanke meines Vaters. Und dieser setzte sich fest in meinem Kopf – und in dem Kopf meines Freundes ebenso: Die Freundschaft gelänge eher, wenn der kinderlose Teil bereit wäre eine Beziehung zu den Kindern aufzubauen. Sähe er sie nicht bloß als lästiges Anhängsel an, das bestenfalls ruhig spielte oder schlief, gäbe es mehr Möglichkeiten miteinander Zeit zu verbringen. 

Ich denke immer wieder an diese Zeilen zurück. Ich glaube, es ist eine Menge Wahres daran. Betrachte ich meine Freundschaften in den letzten Jahren, sind jene besonders eng, in denen die Kinder eine Rolle spielen (dürfen). Manche dieser Freunde haben selbst Kinder – das macht es für alle Beteiligten sehr einfach. Aber da sind auch Freunde, die (noch) keine eigenen Kinder haben und die tatsächlich eine eigenständige Beziehung zu unseren Kindern aufgebaut haben. Unsere Mädels freuen sich außerordentlich, wenn diese Freunde uns besuchen. Denn sie wissen, dass diese gerne mit ihnen spielen und Zeit verbringen.

Das ist nicht selbstverständlich! Ich verstehe auch die anderen. Die, in deren Lebenskonzept Kinder keine Rolle spielen und die sich für diese kleinen Wesen nicht besonders erwärmen können. Aber es löst doch etwas in mir aus, wenn selbst im Gespräch kaum die Rede von unserem Familienleben ist. Denn das ist mein Alltag und gehört untrennbar zu mir. Interessieren sich Menschen für mich, gehören meine Töchter schlichtweg dazu. 

Zurück zu meinem besten Freund. Wir leben mittlerweile das „klassische Familienleben“: Wir haben zwei Kinder, ein Haus mit Garten, sind verheiratet. Wir lernen immer wieder wirklich nette neue Familien mit ähnlich alten Kindern kennen und spüren, dass in diesen Kontakten Manches einfach ist: Die Leben ähneln sich und damit die Themen, die Gestaltung der Wochen, die Freizeitaktivitäten. Mein Freund lebt immer noch in Köln, ist viel unterwegs und alleinstehend. Manchmal hadert er damit. Manchmal möchte er weit weg fliehen aus diesem Leben in dem sich um ihn herum immer wieder Vieles verändert – ohne sein Zutun. Manchmal wünscht er sich auch all das: Familientrubel, Haus, Garten. Gleichzeitig führt er ein tolles Leben: Er hat einen spannenden Job, ist mit vielen verschiedenen Menschen im engen Kontakt, macht tolle Urlaube. 

Und: Wir stehen uns heute genauso nah wie damals, als ich schwanger war und mein Vater diese Zukunftsfragen in den Raum warf. Er ist mein allerbester Freund. Jedes Gespräch mit ihm tut mir gut, fast immer stehen wir uns emotional nahe und wissen, wie es dem anderen geht. Und meine Töchter lieben ihn! Er hat vom ersten Tag an teilgenommen an unserem Familienleben. Er hat die beiden kennengelernt und seine ganz individuellen Spiele mit ihnen entwickelt. Er ist der Freund, der immer wieder für zwei Tage oder auch für länger bei uns einzieht und der dann stundenlang mit den Kindern im Kinderzimmer verschwindet und jedes erdenkliche Spiel brav mitspielt: Er wird ins Gefängnis gesperrt, schlafen gelegt, verarztet. 

Ich liebe es ihm dabei zuzusehen. Es rührt mich, diese Verbundenheit meiner Töchter zu ihm zu beobachten. Er fährt auch mit uns in den Urlaub und wenn ich sage, ich könne es gut verstehen, wenn er vom Urlaub anderes erwarte als ständiges Kindergeplapper und -programm, dann antwortet er: Ich genieße das! Das ist ja für mich etwas Besonderes!

Wir gehen miteinander durch das Leben. Er hat ernst gemacht und sich engagiert in der Beziehung zu meinen Töchtern. Damit macht er mir ein riesiges Geschenk! Er gibt mir das Gefühl immer noch der Mensch zu sein mit dem er damals in Köln lange Abende zusammen saß und über das Leben und die Liebe philosophierte. Gleichzeitig ist eben auch so Vieles neu: Ich bin Mutter und die Dinge, die mich heute beschäftigen, weichen vielfach von den damaligen ab. Er wälzt auch diese mit mir – fühlt sich ein in meine Gedanken und Fragen und unterstützt mich. Und er lässt mich teilhaben an seinem bunten Leben und der einen oder anderen Krise, die sich vor ihm aufstellt. 

Meine Dankbarkeit für seine Freundschaft kann ich kaum in Worte fassen. Sie ist ein Schatz und gibt mir Zuversicht: Was auch immer da kommen wird, er wird dabei sein. Wir werden einander begleiten und die Unterschiedlichkeit unserer Leben als Bereicherung empfinden. Vielleicht war es gut, dass wir damals dieses Gespräch mit meinem Vater führten. Seine Lebenserfahrung machte uns wach für die nahenden Veränderungen, die für uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorstellbar waren. Wir hörten von seinen Erlebnissen und beschlossen (eher unausgesprochen), dass wir es anders machen werden. Jeder Moment mit meinem Freund, der mir zeigt, dass uns das gelingt, macht mich deshalb unglaublich glücklich!

Danke, mein lieber M.!!! Und: Danke, Papa!

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