Der Kopf so voll – und doch leer

Manchmal erscheint mir meine Situation ausweglos. So als würde dieser Schwebezustand niemals enden. Weil die Zeit fehlt, oder die Power. Vielleicht auch die Ideen, der Mut – oder schlichtweg der Kopf.

Ein Schwebezustand aus beruflicher Veränderung, der irgendwann in „nicht mehr tragbar“ wechselt. Meine Kinder sind betreut, der Haushalt kann warten, es gibt keine zeitlichen Ausreden. Meine inneren Stimmen lauschen auf die inneren Stimmen meines Umfeldes. Auf das was nicht gesagt, aber vielleicht gedacht wird. Oder was hinter verschlossenen Türen über mich gesprochen wird. „Wie lange geht das noch so?“ 

Zu schweben fühlt sich manchmal frei an. Danach alles schaffen und jeden nur erdenklichen Weg gehen zu können. Nach einem umwerfenden bunten Strauß an Entwicklungsmöglichkeiten. Nach „ich bin jung, ich bin klug, ich kann es schaffen.“ In solch genussvollen Schwebemomenten spüre ich meine Kraft und meinen Mut. Und mein Zutrauen in mich und mein berufliches Gelingen. Dann denke ich: Da ist etwas, da will ich hin. Wie genau es aussieht, das weiß ich zwar noch nicht. Aber ich spüre wie es sich anfühlen wird. Und wie ich mich damit fühlen werde. Kraftvoll gehe ich kleine und große Schritte und dränge die Zweifel weg. Ich sehe klar.

An anderen Tagen ängstigt mich die Bodenlosigkeit des Schwebens. Ich suche nach Halt, Sicherheit und Beständigkeit. Das Ziel scheint mir verschwommen, Nebel erschwert die Weitsicht. Alles was ich wahrnehme, sind Stolpersteine und Risiken. Mir scheint als taumele ich dahin, ohne Sinn und Verstand. Als wollte ich es zu sehr und könnte doch zu wenig. „Was kann ich überhaupt?“, frage ich mich an solchen Punkten. Mir fehlt das Selbstvertrauen. Wie sich Mut anfühlt, kann ich nur noch milde erahnen. Ich fühle mich ängstlich, schwach und abhängig.

Wer sagt mir, dass mein Weg erfolgreich sein kann? Wenn ich das Ziel nicht einmal genau kenne, an meinen eigenen Stärken zweifele und mich frage, ob ich überhaupt in der Lage bin für jemanden einen Mehrwert zu schaffen. Ich sehne mich nach Einzigartigkeit und der ganz besonderen Idee. Nach einem genialen Konzept, das Erfolg verspricht. Und ich wünsche mir so sehnlich die Abkehr von den Zweifeln, der Mutlosigkeit und der Skepsis. 

Irgendwo zwischen meiner Berufstätigkeit in Anstellung, meiner Elternzeit und meiner beruflichen Zukunft schwebe ich dahin. Haltlos? 

Ein leerer Kopf nimmt alles Zutrauen. Das Gefühl nicht gut genug zu sein und zu enttäuschen, ist wie Blei auf meinen Schultern. Was ist da noch zu finden in meinem Mitte 30-Hirn neben Kinder- und Familienthemen? Das was ich kann, das kann doch jede®. Es fühlt sich an als lägen meine Stärken im Privaten. In der Gestaltung eines abwechslungsreichen Familienlebens, in der Pflege enger Freundschaften, in der Planung von Reisen und Festen. Holen mich auch in diesen Bereichen Kompetenzzweifel ein, wiegt das besonders stark. Was bleibt mir dann?

Viele Jahre habe ich Schul- und Universitätsbänke gedrückt und endlose Inhalte, Berechnungen und Analysen in mein Gehirn gestopft. Ich konnte gut lernen und erfolgreich reproduzieren und anwenden. Bildung fühlte sich stabilisierend an. Eine Basis auf der ich mich in den Arbeitsmarkt vorwagte. Einen Großteil meiner Fähigkeiten erlernte ich dann in der Arbeit selbst. Ich erlebte mich in Aktion, verbesserte meine Konzepte und übte mit Rückmeldung umzugehen und daran zu wachsen. Aber: Was von alledem ist noch da? Mein Hirn fühlt sich so leer an und die Hemmschwelle steigt: Was kann ich noch bieten?

Irritierend gleichzeitig: ein übervoller Kopf! Leer an Zahlen, Analysen und Methodik. Und gleichzeitig am Rande der Überforderung meine Ansprüche an mich als Mutter, Freundin, Frau und gesellschaftliches Wesen zu erfüllen. Ob dieses Gefühl legitim und objektiv nachvollziehbar ist, ist sicherlich zu diskutieren. Und dennoch: Neben den tagtäglichen Aufgaben rund um Kinder-, Familien- und Hausversorgung fallen so viele weitere kleine und große Dinge an, die zu einem ausgereizten Mental Load führen. Die Besorgung eines Geburtstagsgeschenks, eine Karte zur Geburt, die Organisation eines Treffens, die Planung eines Festes, die Vereinbarung von Arztterminen, die Durchführung von Arztterminen, die Kontaktgestaltung zu Freunden und Familie… Sie überfordern mich nicht in meinem Alltag. Sie machen mir (meist) viel Freude und sind mir sehr wichtig. Aber es fühlt sich so an, als würden sie das genussvolle Schweben erschweren. Und vor allem das berufliche Vorankommen verhindern. Weil sie meine freien Hirnareale blockieren und meine Kreativität lähmen. Und weil sie die Fokussierung erschweren, denn ständig mischen sich andere Gedanken unter: Erinnerungen wie „vergiss nicht, dass …“ sowie sich im Kopf stetig verlängernde Listen. 

Und dann frage ich mich: Wie machen das andere Mütter und Väter? Wie schaffen sie es ihre Anforderungen im Privatleben vollumfänglich zu erfüllen und trotzdem spritzig und kreativ zu arbeiten? Möglicherweise sogar eine Selbstständigkeit aufzubauen oder neue berufliche Ideen zu verwirklichen? Kennen sie ihn auch – diesen wahnsinnig vollen Kopf? Dieses Gefühl, dass keine Kapazitäten mehr da sind und alles und nichts durch das Hirn wabert? Wie gestalten andere Übergänge und Schwebezustände?

Mein Kopf ist so voll, und doch so leer! Ich befinde mich in diesem Schwebezustand, der manchmal genussvoll ist und mich andere Male taumeln lässt. Jeder Anfang ist schwer, Übergänge strengen an – all das weiß ich. Trotzdem raubt es mir beizeiten Kräfte und Zutrauen. Und doch überwiegt die Neugierde: Wohin wird mich all das führen?

1 Kommentar zu „Der Kopf so voll – und doch leer“

  1. Hallo Kaja

    Der Bär im Netz ist ein wunderbares Bild für Deinen Text. Allerdings sieht er gut gehalten aus, von all den Sicherungsseilen. Ein Absturz scheint unwahrscheinlich, auch wenn er nicht ganz glücklich guckt. Vielleicht sollte sich der Bär konkrete Projekte für bestimmte, genau begrenzte Zeiträume vornehmen. In diesen darf dann anderes vernachlässigt werden. So könnten einzelne Seile dicker und noch stabiler werden, während die anderen so gut verknüpft sind, dass sie auch eine zeitlang dünner werden dürfen. Reißen werden sie nicht!

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