Vom Paar zum Team: Eltern werden

Mein Mann und ich sind seit über vier Jahren Eltern. Wir haben uns bewusst für diesen Schritt entschieden – und sogleich war Vieles wahnwitzig unbewusst. Rückblickend glaube ich, dass das gut so war. Wir beide waren 29 Jahre alt als ich schwanger wurde. Der größte Schritt unseres Lebens; aus dem Bauch heraus. Wir wussten, dass wir Kinder wollten. Grundsätzlich und miteinander. Wir fanden unsere Beziehung dafür ausreichend erprobt. Und schrieben einander die nötige Reife zu. Es war wohl eine gute Mischung aus Lust auf einen neuen Schritt, Freude an Kindern und Vertrauen in das Leben, die Mut machte.

In unserem Umfeld gab es zu diesem Zeitpunkt wenige junge Eltern. Die Beispiele die wir kannten, stimmten uns positiv für dieses Abenteuer. Viele Freund:innen standen an einem anderen Punkt im Leben: Ihre Beziehung erschien zu frisch, sie suchten noch nach Partnerschaft oder wollten den Fokus auf Job, Reisen und Zweisamkeit nicht aufgeben. 

Im Grunde wollten auch wir all diesen wunderbaren Dingen nicht den Rücken kehren. Wir hatten nicht den Plan „nur noch Eltern und Familie“ zu sein. Selbstverständlich sollten Freundschaften, Hobbies, berufliche Träume und Partnerschaft weiterhin gelebt werden. Rückblickend glaube ich, diese Gedanken machte ich mir zu dem Zeitpunkt kaum. Niemand schmetterte mir Sätze wie „Ein Kind verändert alles!“ um die Ohren. Und so begleiteten mich keine Sorgen oder Verlustängste. Ich wollte nur schwanger werden.

Dann war es soweit: Unsere Tochter kündigte sich an. Mit der Schwangerschaft bemerkte ich allmählich, dass das Thema mit dem runder werdenden Bauch zunehmend Raum einnahm. Es gab plötzlich Dinge, die ich nicht mehr essen durfte. Menschen in meinem Umfeld wurden umsichtiger und ich erlebte unzählige Reaktionen fremder auf meine offensichtliche Schwangerschaft. Immer häufiger standen ärztliche Kontrollen an und trafen wir wichtige Entscheidungen, die uns bis zu diesem Zeitpunkt nicht tangiert hatten. Schon bevor unsere Kleine geboren war, wurden wir als Eltern gefordert. Die Vaterschaft musste beurkundet, ein geeignetes Krankenhaus für die Entbindung gewählt und ein Geburtsvorbereitungskurs besucht werden. Dort stellten wir fest, wie viele Dinge man wissen konnte – oder vielleicht sollte. 

Der eigene Anspruch, entspannt und lässig durch die Schwangerschaft zu gehen, wich immer mehr der geforderten Planung. Ich sollte mir überlegen, wie lange ich Elternzeit nehmen wollte und eine Vielzahl an Dokumenten vorbereiten. Recht spontan entschieden wir im letzten Trimester, in unsere Heimatstadt zurückzuziehen. Das Leben in Köln, das viele Jahre so kunterbunt und attraktiv gewesen war, fand sein jähes Ende. Die Nähe zu den engsten Freund:innen und beiden Herkunfsfamilien gewann an Attraktivität. 

All den äußeren Veränderungen zum Trotz, blieb unsere Vorfreude groß! Der nahende Geburtstermin brachte das erwünschte Leben zu dritt näher und wir freuten uns unbändig auf diese kleine Mischung aus uns beiden. Wir stellten uns vor wie das Leben zusammen sein würde, lagen viele Stunden auf dem Sofa und warteten auf Kindsbewegungen. Es machte Spaß kleine Schätze aus der eigenen Kindheit hervorzukramen und sich vorzustellen, dass unsere Kinder eines Tages damit spielen würden. Wir genossen die Paarzeit in vollen Zügen. Als wir uns mit großen Schritten der Geburt näherten, überlegten wir zunehmend, ob dies nun das letzte Wochenende oder der (vorerst) letzte Restaurantbesuch zu zweit gewesen war. Wir fühlten uns einander sehr nah! Es war ein wunderbares Gefühl diese wahnsinnige Reise miteinander zu gehen und das Abenteuer „Eltern sein“ zu wagen.

Ein seichter Einstieg: Das erste Jahr zu dritt

Und dann war es soweit: An einem Samstag wurde unsere erste Tochter geboren. Die Liebe war grenzenlos und das Gefühl unbeschreiblich. Wir konnten gar nicht genug von ihr bekommen: Es war so wunderschön sie zu kuscheln, zu streicheln, zu tragen, zu umsorgen. Fast gerieten wir ein wenig in Konkurrenz – wir konnten sie gar nicht genug bei uns haben. Das Leben stand nun still. Alles war ruhig, die Außenwelt schien unbedeutend. Nur wir drei waren von Belang. In diesem Anfang lag tatsächlich ein Zauber!

Wir teilten unsere Freude mit Familien und Freund:innen und schwebten auf einer Wolke des Glücks durch die ersten Wochen. Eltern werden erschien leicht: Stillen, schlafen, wickeln… all das funktionierte gut und vereinnahmte uns nicht im Übermaß. Das Leben als kleine Familie ließ sich an vielen Stellen gut mit dem Leben „davor“ vereinbaren. Unser Umfeld war Anfang 30 und eh sesshaft geworden. Arbeit stand im Fokus, Partys waren selten und wilde Nächte wurden durch ausgiebige Wochenend-Treffen ersetzt. All das harmonierte mit unserem Leben zu dritt. Unsere Tochter machte bei all dem mit, schien dem neugierig zu begegnen und schloss schnell Freundschaften. Wir buchten Urlaube, ermöglichten einander abends Ausgang und genossen es ihr beim Entdecken der Welt zuzusehen und sie dabei zu begleiten.

Wir hatten uns in der Vorbereitung auf diesen großen Schritt wenig Gedanken gemacht. Jetzt erschien die Veränderung gar nicht so bedrohlich und allumfassend. Es blieben sogar Zeitfenster bestehen, die wir als Paar genossen und in denen wir nicht als Team das Leben unserer Kleinfamilie organisierten, sondern der Fokus auf unserer Beziehung lag. Der Start in ein ausgewogenes und zufriedenes Familienleben schien geglückt.

Wir waren eine eingespielte kleine Familie. Unsere Tochter wurde ein Jahr alt und verzauberte uns immer noch auf vielfältige Weise. Sie hatte Freude an Bewegung, plapperte allerhand meist unverständliches Zeug und schien sich pudelwohl zu fühlen in unserer Mitte. So wurde die Stimme in uns lauter, die sich Familienzuwachs wünschte. Ein zweites Kind würde uns vervollständigen und wäre ein großartiger Spielgefährte für unsere Tochter. 

Das turbulente zweite Familienjahr

In unserem zweiten Jahr ging es als Familie sehr turbulent zu. Wir fühlten uns miteinander stabilisiert und kraftvoll und gingen drei Großprojekte an: Zuerst feierten wir eine ausschweifende und wunderbare Hochzeit. Dann wurde ich wieder schwanger und – quasi im gleichen Atemzug – kauften wir ein renovierungsbedürftiges Haus. Mit diesen Entscheidungen wurde es zunehmend anstrengend: Unser Sprössling entdeckte ihren eigenen Willen und die Kraft ihrer Stimme. Auch die Launen wurden bunter und das gemeinsame in-den-Tag-hinein-Leben war nicht mehr nur schön. Es schien mir als fehlten die Anreize und als reichte ich nicht mehr aus. Vielleicht ließ sich der Stimmungswechsel auch dadurch erklären, dass sie an Fokus verlor. Sie ging wenige Tage in der Woche zu einer Tagesmutter und verbrachte viele Wochenenden auf unserer Baustelle. Mein Mann und ich werkelten in jeder freien Minute, mit wachsendem Bauch stieg meine Müdigkeit und die Zeit zu dritt nahm merklich ab. 

Das erste Jahr zu viert: Eine Kraftaufgabe als Team

Und dann wurde unsere zweite Tochter geboren. Die Wochen davor, die Geburt und das Wochenbett – all diese Momente unterschieden sich deutlich von der ersten Runde. Die Momente der nahen Zweisamkeit als Paar waren selten. Kinderfreie Stunden waren meist von Müdigkeit, Planungsaufgaben oder Renovierungsprojekten gefüllt. Ich war deutlich angestrengter als in der ersten Schwangerschaft und fand doch kaum Momente der Pausen für mich. Auch in den ersten Tagen des Lebens unserer zweiten Tochter waren die Gedanken an die Große immer präsent. Wir wollten ihr nicht das Gefühl geben, ausgeschlossen zu sein und raubten der Kleinen damit exklusive Momente. Die Große forderte die Erfüllung ihrer Bedürfnisse lautstark ein und ließ den Zauber der ersten Tage miteinander damit in weniger prächtigem Glanz erscheinen. Endloses Kuscheln im Wochenbett, stundenlanges Beobachten jeder Bewegung, inniges Stillen… auch dafür mangelte es häufig an Zeit. Immer wieder dachte ich an die ersten Tage mit unserer Großen zurück und hatte der Kleinen gegenüber ein schlechtes Gewissen. Schon so jung wurde sie um so viel Aufmerksamkeit beraubt. Ein Omen für ihre Kindheit?!?

Es brauchte Zeit bis wir uns miteinander eingespielt hatten. Bis die Große verstand, dass ihre Schwester nicht wieder gehen würde. Und bis die Kleine an Attraktivität für sie gewann, weil sie begann sich fortzubewegen und zu interagieren. Die Kleine war unruhiger und forderte bestimmt (und gerne nachts) Aufmerksamkeit und Nähe ein. Sie schien früh zu merken, dass sie ihre Kräfte dafür nutzen musste sich Gehör zu verschaffen. Wir mussten uns einfinden in dem Leben als Vier-Köpfige Familie. Die Veränderung im Vergleich zu dem Leben zu dritt war deutlich größer, als ich es erwartet hatte. Anders als in dem Leben mit einem Kind, fühlte ich mich häufig ausgepowert und endlos müde.

Für diesen Prozess des Einspielens brauchten wir ein Jahr. Dieses erste Jahr zu viert war das anstrengendste bislang. Beide Kinder brauchten uns permanent – auf sehr unterschiedliche Weise. Geduldiges Warten? Fehlanzeige! Die Bedürfnisse schienen dabei so unterschiedlich, dass ich permanent das Gefühl hatte, eine der beiden enttäuschen zu müssen. Eifersucht und der Kampf um Aufmerksamkeit prägten häufig die Stimmung der Großen. Gekrönt von einer durchaus ausgeprägten Trotzphase. Die Kleine suchte viel Körperkontakt und ließ sich ungern ablegen. Sie fremdelte heftig und war anderen gegenüber eher verhalten. Immer wieder ermahnte ich mich die Freude des Familienlebens zu spüren und die schönen Momente zu genießen. Manchmal fiel es mir schwer – die anspruchsvollen Seiten eines Lebens mit zwei kleinen Kindern hatte ich mir im Vorhinein wenig bewusst gemacht. (Zum Glück!)

Land in Sicht: Inseln der Paarzeit

Mit unserem vierten Jahr als Familie wurde es in großen Schritten viel, viel besser. Die Kleine lief der Großen überall hin hinterher und die Bedürfnisse begannen sich einander anzunähern. Die Babyzeit war geschafft und wir wurden zu Eltern mit zwei Kleinkindern, die diese Kinder zunehmend gut kannten und einzuschätzen wussten. Wir kamen an im Leben „Eltern sein mit zwei Kindern“. Immer mehr Momente brachten den Zauber zurück. Die Eifersucht flammte hier und da auf. Meist jedoch schienen die beiden die Anwesenheit der anderen zu genießen und es war wunderbar zu erleben, wie selbstverständlich sie miteinander umgingen. Die Kleine war von ihrer großen Schwester schwer beeindruckt und fasziniert. Das motivierte die Große wiederrum ein besonders gelungenes Unterhaltungsprogramm für die Kleine zu gestalten. Dieses vierte Jahr zu viert war gleichzeitig das erste des Corona-Ausnahmezustandes. So verbrachten wir zahllose Tage im Garten, im Wald oder an kleinen Bächen. Ich war überglücklich, dass die Mädchen einander hatten und damit nicht vollständig sozial isoliert waren.  

Heute, im ersten Drittel des fünften Familienjahres, empfinde ich häufig intensive Glücksgefühle in unserem Leben zu viert. Die Mädchen unterhalten sich angeregt und gestalten viele Stunden am Tag miteinander. Sie gehen Seite an Seite in den Kindergarten und scheinen einander viel Sicherheit und Stabilität zu geben. Und dabei entstehen bisweilen – meist noch unerwartet und zu unserer Überraschung – immer wieder Zeitfenster für ausgedehnte Unterhaltungen mit meinem Mann. Dann spielen die Kinder zufrieden und sind sich selbst genug. Kleine Projekte lassen sich wieder realisieren, Familienmahlzeiten finden (manchmal) in gemeinsamer Ruhe am Tisch statt. Und so stellt es sich zunehmend ein: Das Gefühl, dass wir vollständig sind. Zu viert.

Und: mein Mann und ich sind nicht mehr nur ein mehr oder weniger gut funktionierendes Team. Wir werden auch wieder zum Paar. In manchen Phasen mehr, in anderen weniger. Aber mit der klaren Tendenz zu: Mehr!

1 Kommentar zu „Vom Paar zum Team: Eltern werden“

  1. Hallo Kaja

    4 Jahre – wunderbar zusammengefasst.

    Spannend fände ich von dir zu erfahren, was wohl hilfreich war, auf dem Weg eine solch schöne Perspektive zu entwickeln!?

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